Wie schnell funktioniert eigentlich eine Diode? Wird sie unter idealen Bedingungen betrieben, kann sie bis zu 2 Billionen Mal pro Sekunde umgeladen werden – schneller ist es bislang in konventionellen Hochfrequenz-Schaltkreisen nicht möglich. Mit einem physikalischen Trick ist es einem Forschungsteam der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der Universität Regensburg gelungen, diese von außen bedingten Einschränkungen zu umgehen und die innere Funktionsweise von Dioden bei weit höheren Frequenzen zu messen. Mit ihren Experimenten erweitern sie damit theoretische Vorhersagen des Physikers Walter Schottky. Ihre Ergebnisse haben sie in dem renommierten Fachmagazin Sciences Advances veröffentlicht.*
Eine Diode ist wohl das einfachste aktive elektronische Bauelement. Sie lässt den Strom nur in einer Richtung durch und wird deswegen zur Gleichrichtung verwendet. Im einfachsten Fall reicht hierzu ein Metall-Halbleiter-Kontakt, der nach dem Physiker Walter Schottky, geboren 1886 in Berlin, verstorben 1976 in Pretzfeld nahe Erlangen, auch Schottky-Diode genannt wird. Dessen maximale Geschwindigkeit bemisst sich daran, wie schnell eine angelegte Spannung zu einem Stromfluss führt. Das ist eine extrinsische Limitierung, die von der Ansteuerung herrührt, aber keine intrinsische – diese war bislang nicht messbar.
Schottky hat 1938 in Diensten der Firma Siemens ein sehr erfolgreiches Modell zum Metall-Halbleiter-Kontakt, also zur Schottky-Diode, formuliert. Es kommt mit nur ganz wenigen Annahmen und Parametern aus und beschreibt die Strom-Spannungs-Kurven im Gleichstromfall akkurat. Es zeigte sich, dass die Gleichungen auch im Wechselstromfall, also bei der Signalübertragung, sehr genau gelten. Die schnellsten Schottky-Dioden lassen sich heute unter idealen Bedingungen bis etwa zwei Terahertz (THz), also bei 2 Billionen Schwingungen pro Sekunde, betreiben. Sie schneller umzuladen ist mit konventionellen Hochfrequenz-Schaltkreisen nicht möglich.
Das Ziel von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Lehrstuhls für Angewandte Physik der FAU und des Lehrstuhls für Ultraschnelle Quantenphysik und Photonik der Universität Regensburg war es nun, Dioden bei noch höheren Frequenzen zu messen. Dazu braucht es einen Trick: Statt schnell oszillierender Spannungen verwendeten sie oszillierende Lichtfelder im mittleren Infrarotbereich, die in starken Impulsen auf die Schottky-Dioden eingestrahlt wurden. Das elektrische Feld des Lichts wurde so ausgerichtet, dass es die elektrische Spannung an der Diode simuliert, ohne dass elektrische Ladungen auf die Diode gebracht werden müssen. Gemessen wurde dabei, ob die Gleichrichtung der Diode zu einem Strom führt, den man dann mit den viel langsameren elektrischen Verfahren messen kann.
Dieses ungewöhnliche Experiment stellt einige Anforderungen an die Diode: Sie muss sehr starke Lichtfelder überstehen und transparent sein. Daher fiel die Wahl auf epitaktisches Graphen als Metall und Siliziumkarbid – einem Hochleistungshalbleiter mit einer langen Forschungstradition in Erlangen. In einem Hochtemperaturprozess lässt sich epitaktisches Graphen, eine einatomar dünne Schicht Kohlenstoff, die sich metallisch verhält, auf den Halbleiter wachsen. Diese kleinstmögliche Ausdehnung ist von Vorteil, weil dann die Elektronen keinen weiten Weg durch das Metall zurücklegen müssen. Dass diese Metall-Halbleiter-Kombination sich wie eine ideale, transparente Schottky-Diode verhält, konnte die FAU-Gruppe um Prof. Dr. Heiko B. Weber schon in einem weiten Frequenzbereich – angefangen vom Gleichspannungsbereich bis hin zu 500 Gigahertz – zeigen.
Um die Schottky-Physik auf die Probe zu stellen, ist der Mittel-Infrarotbereich besonders spannend, weil dort die (elektrischen) Lichtfelder sehr hoch gewählt werden können und – im Gegensatz zu sichtbarem Licht – kein Photoeffekt stattfindet, der die Schottky-Physik verkomplizieren würde. Solche Methoden werden seit Jahren an der Universität Regensburg in der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Rupert Huber ausgearbeitet und durchgeführt.
Die Ergebnisse waren zunächst überraschend: Unter Lichteinfall zeigten sich gleichgerichtete Ströme, allerdings erfolgte die Gleichrichtung in der umgekehrten Richtung. Um diese Ergebnisse zu verstehen, muss man Schottkys Modell bemühen: Man setzt den experimentell bestimmten elektrischen Feldverlauf des Lichtimpulses in die Schottky-Formel ein und sieht, dass mit jeder Lichtwelle durch Elektronentunneln ultraschnelle Stromimpulse erzeugt werden, die den beobachteten Werten schon sehr nahekommen. Allerdings passte das zunächst nicht perfekt. Doch bei näherer Betrachtung lässt sich auch das verstehen: Diejenigen Elektronen, die kurz vor der Feldumkehr zum Stromimpuls beitragen, schaffen es nicht mehr ganz durch die Diode und werden bei der Umkehr des elektrischen Feldes wieder zurückgeworfen. Sie tragen so nicht zum Stromfluss bei. Die Physikerinnen und Physiker verbanden das Schottky-Modell von 1938 mit einer Korrektur, die sie „Dynamischer Schottky-Effekt (DSE)“ tauften. Daraufhin fanden sie eine erstaunliche Übereinstimmung: Wird die Schottky-Diode unter Gleichspannung vermessen, und daraus der gleichgerichtete Strom bei etwa 40 Terahertz berechnet, so trifft die Vorhersage ohne weitere Anpassungen sehr genau zu.
Das Fazit des Forscherteams lautet also: Es ist zum ersten Mal gelungen, ein aktives elektronisches Bauelement mit Lichtfeldern zu betreiben. Zur Beschreibung dient weiterhin das 84 Jahre alte Schottky-Modell, das für den Gleichstromfall entworfen wurde, wenn man es mit der hier vorgestellten DSE-Korrektur erweitert.
Über das Experiment
Die Arbeiten wurden im Rahmen des Erlanger Sonderforschungsbereichs 953 „Synthetische Kohlenstoff Allotrope“ und des Regensburger Sonderforschungsbereich 1277 „Emergente Relativistische Effekte in Kondensierter Materie“ durchgeführt.
Wie schnell funktioniert eigentlich eine Diode? Wird sie unter idealen Bedingungen betrieben, kann sie bis zu 2 Billionen Mal pro Sekunde umgeladen werden – schneller ist es bislang in konventionellen Hochfrequenz-Schaltkreisen nicht möglich. Mit einem physikalischen Trick ist es einem Forschungsteam der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der Universität Regensburg gelungen, diese von außen bedingten Einschränkungen zu umgehen und die innere Funktionsweise von Dioden bei weit höheren Frequenzen zu messen. Mit ihren Experimenten erweitern sie damit theoretische Vorhersagen des Physikers Walter Schottky. Ihre Ergebnisse haben sie in dem renommierten Fachmagazin Sciences Advances veröffentlicht.*
Eine Diode ist wohl das einfachste aktive elektronische Bauelement. Sie lässt den Strom nur in einer Richtung durch und wird deswegen zur Gleichrichtung verwendet. Im einfachsten Fall reicht hierzu ein Metall-Halbleiter-Kontakt, der nach dem Physiker Walter Schottky, geboren 1886 in Berlin, verstorben 1976 in Pretzfeld nahe Erlangen, auch Schottky-Diode genannt wird. Dessen maximale Geschwindigkeit bemisst sich daran, wie schnell eine angelegte Spannung zu einem Stromfluss führt. Das ist eine extrinsische Limitierung, die von der Ansteuerung herrührt, aber keine intrinsische – diese war bislang nicht messbar.
Schottky hat 1938 in Diensten der Firma Siemens ein sehr erfolgreiches Modell zum Metall-Halbleiter-Kontakt, also zur Schottky-Diode, formuliert. Es kommt mit nur ganz wenigen Annahmen und Parametern aus und beschreibt die Strom-Spannungs-Kurven im Gleichstromfall akkurat. Es zeigte sich, dass die Gleichungen auch im Wechselstromfall, also bei der Signalübertragung, sehr genau gelten. Die schnellsten Schottky-Dioden lassen sich heute unter idealen Bedingungen bis etwa zwei Terahertz (THz), also bei 2 Billionen Schwingungen pro Sekunde, betreiben. Sie schneller umzuladen ist mit konventionellen Hochfrequenz-Schaltkreisen nicht möglich.
Das Ziel von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Lehrstuhls für Angewandte Physik der FAU und des Lehrstuhls für Ultraschnelle Quantenphysik und Photonik der Universität Regensburg war es nun, Dioden bei noch höheren Frequenzen zu messen. Dazu braucht es einen Trick: Statt schnell oszillierender Spannungen verwendeten sie oszillierende Lichtfelder im mittleren Infrarotbereich, die in starken Impulsen auf die Schottky-Dioden eingestrahlt wurden. Das elektrische Feld des Lichts wurde so ausgerichtet, dass es die elektrische Spannung an der Diode simuliert, ohne dass elektrische Ladungen auf die Diode gebracht werden müssen. Gemessen wurde dabei, ob die Gleichrichtung der Diode zu einem Strom führt, den man dann mit den viel langsameren elektrischen Verfahren messen kann.
Dieses ungewöhnliche Experiment stellt einige Anforderungen an die Diode: Sie muss sehr starke Lichtfelder überstehen und transparent sein. Daher fiel die Wahl auf epitaktisches Graphen als Metall und Siliziumkarbid – einem Hochleistungshalbleiter mit einer langen Forschungstradition in Erlangen. In einem Hochtemperaturprozess lässt sich epitaktisches Graphen, eine einatomar dünne Schicht Kohlenstoff, die sich metallisch verhält, auf den Halbleiter wachsen. Diese kleinstmögliche Ausdehnung ist von Vorteil, weil dann die Elektronen keinen weiten Weg durch das Metall zurücklegen müssen. Dass diese Metall-Halbleiter-Kombination sich wie eine ideale, transparente Schottky-Diode verhält, konnte die FAU-Gruppe um Prof. Dr. Heiko B. Weber schon in einem weiten Frequenzbereich – angefangen vom Gleichspannungsbereich bis hin zu 500 Gigahertz – zeigen.
Um die Schottky-Physik auf die Probe zu stellen, ist der Mittel-Infrarotbereich besonders spannend, weil dort die (elektrischen) Lichtfelder sehr hoch gewählt werden können und – im Gegensatz zu sichtbarem Licht – kein Photoeffekt stattfindet, der die Schottky-Physik verkomplizieren würde. Solche Methoden werden seit Jahren an der Universität Regensburg in der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Rupert Huber ausgearbeitet und durchgeführt.
Die Ergebnisse waren zunächst überraschend: Unter Lichteinfall zeigten sich gleichgerichtete Ströme, allerdings erfolgte die Gleichrichtung in der umgekehrten Richtung. Um diese Ergebnisse zu verstehen, muss man Schottkys Modell bemühen: Man setzt den experimentell bestimmten elektrischen Feldverlauf des Lichtimpulses in die Schottky-Formel ein und sieht, dass mit jeder Lichtwelle durch Elektronentunneln ultraschnelle Stromimpulse erzeugt werden, die den beobachteten Werten schon sehr nahekommen. Allerdings passte das zunächst nicht perfekt. Doch bei näherer Betrachtung lässt sich auch das verstehen: Diejenigen Elektronen, die kurz vor der Feldumkehr zum Stromimpuls beitragen, schaffen es nicht mehr ganz durch die Diode und werden bei der Umkehr des elektrischen Feldes wieder zurückgeworfen. Sie tragen so nicht zum Stromfluss bei. Die Physikerinnen und Physiker verbanden das Schottky-Modell von 1938 mit einer Korrektur, die sie „Dynamischer Schottky-Effekt (DSE)“ tauften. Daraufhin fanden sie eine erstaunliche Übereinstimmung: Wird die Schottky-Diode unter Gleichspannung vermessen, und daraus der gleichgerichtete Strom bei etwa 40 Terahertz berechnet, so trifft die Vorhersage ohne weitere Anpassungen sehr genau zu.
Das Fazit des Forscherteams lautet also: Es ist zum ersten Mal gelungen, ein aktives elektronisches Bauelement mit Lichtfeldern zu betreiben. Zur Beschreibung dient weiterhin das 84 Jahre alte Schottky-Modell, das für den Gleichstromfall entworfen wurde, wenn man es mit der hier vorgestellten DSE-Korrektur erweitert.
Über das Experiment
Die Arbeiten wurden im Rahmen des Erlanger Sonderforschungsbereichs 953 „Synthetische Kohlenstoff Allotrope“ und des Regensburger Sonderforschungsbereich 1277 „Emergente Relativistische Effekte in Kondensierter Materie“ durchgeführt.
* https://doi.org/10.1126/sciadv.abj5014
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Heiko B. Weber
Institute of Condensed Matter Physics
Chair of Applied Physics